Vergnügungssteuer auf dem Straßenstrich in Bonn! - bufas e.V.
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Vergnügungssteuer auf dem Straßenstrich in Bonn!

Vergnügungssteuer auf dem Straßenstrich in Bonn!

Der Beirat des bufas mit einer aktuellen Erklärung vom 23.09.2011:

Seit einigen Tagen geistert es durch alle Gazetten: die sog. „Sexsteuer“ am Bonner Strassenstrich hat es zu internationaler Berühmtheit gebracht.

Ein umgemodelter Parkscheinautomat, der gegen ein Entgelt von 6€ ein Steuerticket ausspuckt, dass von jeder Bonner Sexarbeiterin am Strassenstrich zu Beginn der Nacht-Schicht zwischen 20.15 – 6.00 Uhr gezogen und bezahlt werden muss, ganz gleich, ob sie in dieser Nacht Einkünfte aus der Sexarbeit erzielt oder nicht.

Nun könnte man auf den ersten Blick denken, welch unbürokratische Lösung und Vereinfachung, die Steuergerechtigkeit auch am Strassenstrich durchzusetzen; schliesslich bedeutet die Entrichtung von Steuern immer auch ein Stück Normalisierung in der Praxis, um Sexarbeit als seit 2002 anerkannte Berufstätigkeit durchzusetzen. Dies wäre zu schön, um wahr zu sein. Ist es das?

Die Stadt Bonn bezeichnet das zu entrichtende Entgelt von 6€ je Sexarbeiterin und Arbeitstag als örtliche Aufwandsteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2 a Grundgesetz. Auf Nachfrage, ob diese kommunale Steuer bei der Einkommenssteuererklärung geltend gemacht werden kann, wird darauf verwiesen, dass jede Anbieterin dies mit ihrem zuständigen Finanzamt abzuklären hätte.

Aha.

Das bedeutet, dass die hier erhobene Abgabesteuer als „Sondersteuer“ zu bewerten ist und wie alle in Deutschland unterschiedlich geregelten kommunalen und regionalen Sonder- und/oder Vergnügungssteuern, die das Rotlicht durchziehen, ob FKK-Club, Bordell, Laufhaus, Escort, Strassenstrich immer auch ein Stück „Rechtsunsicherheit“ bedeuten.

Den allermeisten Sexarbeiterinnen bleibt im Regelfall verborgen, wer und was genau die BetreiberInnen ermächtigt, von ihnen Steuern einzutreiben bzw. wo welches Modell in welchen Bundesländern und Städten praktiziert wird. Dies ist insofern von Interesse, da viele Sexarbeiterinnen von Stadt zu Stadt reisen, um dort zu arbeiten.

Für Sexarbeiterinnen in „Prostitutionsbetrieben“ wurden bislang recht willkürlich Sonder- und Vergnügungssteuern zwischen Berlin, Dortmund und Düsseldorf zwischen 6€ und 30€ je Arbeitstag erhoben, wobei hier die Bordell- und Club-Betreiber vom Fiskus ermächtigt sind bzw. verpflichtet werden, Steuern einzutreiben und jeder Anbieterin Quittungen auszustellen.

Wer diese Quittungen bei der Steuererklärung geltend machen will, sofern sie bereits eine eigene Steuernummer angemeldet hat, ist letztlich verpflichtet, die bürgerliche Identität auch gegenüber dem Betreiber, ob Bordell oder Escort-Service preiszugeben. Wer dies umgehen möchte und nur unter Künstler-Namen aktiv sein will, der Betreiber jedoch keine ordnungsgemässe Quittungen ausstellt oder der Betreiber die eingetriebene Steuer nicht ordnungsgemäss ans Finanzamt abführt, bleibt dem Finanzamt bei einer Steuer-Razzia Rede und Antwort schuldig und muss, sofern AnbieterInnen keine Quittungen über die Pauschal-Steuer vorlegen können, mit einer nachträglichen Steuerschätzung rechnen, auch wenn tägliche Pauschalsteuern längst an den Betreiber abgetreten wurden.

Gleichwohl ist unklar, ob für selbständig gemeldete Sexarbeiter mit der geleisteten Pauschalsteuer auch die allgemeine Steuerschuld getilgt ist oder nicht.

Auf Rückfragen erhielten wir die Auskunft, dass das Steuerticket sich auf die kommunale Steuer bezieht. Kontrolliert wird sporadisch vom Ordnungsamt oder Steueramt der Stadt Bonn. Die Erhebung von kommunalen bzw. in den jeweiligen Bundesländern unterschiedlich geregelten regionalen Sondersteuern, bei dem selbst viele Steuerexperten kaum durchblicken, wird im allgemeinen mit „Steuergerechtigkeit“ begründet, die sich aus der Steuerpflicht für alle erwerbstätigen Bürger ergibt, während Vollzug und Regelungspraxis kommunaler und länderspezifischer Regulierungen der Prostitution genau diese unterläuft. Es herrscht bislang eben keine Gleichbehandlung und damit Steuergerechtigkeit von Sexarbeitern in bezug auf andere Berufsgruppen, weshalb von Steuergerechtigkeit auch kaum gesprochen werden kann. Hinzu kommen Beschränkungen, die allen Sexarbeiterinnen auferlegt werden, um diese Berufstätigkeit wie jeden anderen Beruf frei und damit wirklich selbstbestimmt auszuüben.

Schon der Bundesgerichtshof empfahl 2003 die Abstimmung der verschiedenen Vorschriften, die die Prostitutionsausübung regeln oder berühren, um zu einer verbesserten Besteuerung beizutragen.

Daher weisen wir an dieser Stelle noch einmal auf unsere Stellungnahme zur Sondersteuer hin:
Der „Weg zu mehr Steuergerechtigkeit wurde und wird nicht eingeschlagen. Außersteuerliche Erwägungen werden weder eruiert noch entkräftet. Es mangelt an Aufklärung und Unterstützung für Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter, die ihrer Steuerpflicht nachkommen wollen. Es mangelt an Willen und Bereitschaft Sexarbeit in das öffentliche Wirtschaftsleben zu integrieren und einen Regelungsrahmen anzubieten, der Wege in die Normalisierung öffnet.“
(Quelle: http://bufas.net/DOKUMENTE/Stellungnahme_Sondersteuer.pdf)