Offener Brief des BufaS e.V. zum Sexkaufverbot - bufas e.V.
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Offener Brief des BufaS e.V. zum Sexkaufverbot

Offener Brief des BufaS e.V. zum Sexkaufverbot

Sehr geehrte 16 Bundestagsabgeordnete,

nur gut drei Jahre nach der Einführung des ProstSchG am 01.07.2017 erklären Sie das bisher nicht evaluierte ProstSchG für gescheitert und fordern die sofortige Einführung des Sexkaufverbotes in Deutschland.

Die vorübergehenden bundesweiten Schließungen von Prostitutionsstätten und teilweise Verbote der Sexarbeit aufgrund der Corona-Krise geben einen Vorgeschmack davon, was durch die Einführung des Sexkaufsverbotes passieren würde. Überwiegend unterfinanzierte Fachberatungsstellen für Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter fangen derzeit den Beratungsbedarf unzähliger Menschen in prekären Arbeits- und Lebenssituationen ab. Ein dauerhaftes Sexkaufverbot geht aufgrund der Beratungserfahrungen aller unserer Mitgliedorganisationen vollständig an Menschen vorbei, die hier regulär der Sexarbeit nachgehen. Es schürt zudem tiefgreifende Existenzängste bei allen, die ihren Lebensunterhalt mit Sexarbeit sichern unabhängig von Herkunft, Alter und Geschlecht. Zudem fördert ein Sexkaufverbot gesellschaftliche Stigmatisierung von Menschen in der Sexarbeit und reproduziert das jahrhunderte alte Hurenstigma.

Den Fokus richtig lenken

Der Bufas e.V. stellt klar, dass die Effekte des Sexkaufverbotes von Ihnen nur verkürzt und oftmals auch falsch dargestellt werden: So kommt es regelmäßig zu einer Vermischung der Begriffe Sexarbeit und Zwangsprostitution. Sexarbeit ist eine selbstbestimmte Dienstleistung zwischen Erwachsenen gegen Entgelt, während Menschenhandel/Zwangsprostitution Menschrechtsverletzungen sind, die in Deutschland hart bestraft werden. Auch Kund*innen, die die Zwangslage von Sexarbeitenden ausnutzen, werden in Deutschland seit 2016 bestraft.

Zum Anderen wird von Ihnen dargestellt, dass das Sexkaufverbot keine negativen Konsequenzen für Sexarbeiter*innen habe, oder deren Situation sogar noch verbessere. Dagegen positioniert sich der Bufas entschieden.

Auch innerhalb Deutschlands hat man durch restriktive Verordnungen wie z.B. Sperrbezirksverordnungen oder die Kontaktverbotsverordnung nicht die Prostitution und die Nachfrage vor Ort verhindert, sondern lediglich bewirkt, dass die Arbeitsbedingungen sich verschlechtern und die Vulnerabilität durch Abhängigkeitsverhältnisse und Ausbeutung erhöht werden.

Wie das Deutsche Institut für Menschenrechte1 und amnesty international2 lehnen wir die Einführung eines Sexkaufverbotes ab. Denn es wird gerade die Situation der Menschen verschlechtern, die innerhalb der Sexarbeit am verletzlichsten sind:

Die Kriminalisierung von Kund*innen hat immer auch verheerende Folgen für die Sexarbeiter*innen selbst: Weder das Angebot, noch die Nachfrage nach Sexarbeit sinken durch ein Sexkaufverbot3. Um ihre Kund*innen zu schützen, können Sexarbeiter*innen keine offenen, legalen Verhandlungen mehr führen, sondern müssen verdeckte Anbahnungswege finden. Dies verschiebt die Machtverhältnisse zwischen Sexarbeiter*innen und Kund*innen zum Nachteil der Sexarbeiter*innen. Insbesondere prekär arbeitende und lebende Menschen sind gezwungen, Schutz und Anbindung in den Strukturen zu suchen, die selbstbestimmte Arbeit verhindern und Abhängigkeitsverhältnisse fördern. Durch die Arbeit im Verborgenen steigt die Gefahr, von Ausbeutung und Gewalt betroffen zu werden. Gleichzeitig sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass tatsächlich erlebte Gewalt angezeigt wird.

Das Sexkaufverbot verschärft gesellschaftliche Stigmatisierung, anstatt sie abzubauen. Stigmatisierung, Diskriminierung und gesellschaftliche Marginalisierung von Sexarbeiter*innen sind maßgeblich dafür verantwortlich, dass Sexarbeiter*innen vorhandene Rechte nicht wahrnehmen, verdeckt arbeiten und verletzlich sind.

Unterstützungsstrukturen im Allgemeinen und insbesondere auch unter den Sexarbeiter*innen selbst, stellen wichtige Wirkfaktoren für sicheres Arbeiten dar. Mit dem Sexkaufverbot einhergehende gesetzliche Regelungen verschärfen die gesellschaftliche Stigmatisierung von Sexarbeiterinnen noch und verhindern gegenseitige Unterstützung. So ist es in Schweden verboten, von den Einnahmen von Sexarbeiter*innen zu profitieren. Dies betrifft z.B. Vermieter*innen, Babysitter*innen und auch Sexarbeiter*innen selbst, die sich gegenseitig unterstützen.

Die mit dem Sexkaufverbot einhergehenden Regelungen verschärfen das Leben und Arbeiten von Arbeitsmigrant*innen in der Sexarbeit mit und ohne legalen Aufenthaltsstatus noch einmal deutlich. Die Folge eines Verbots wäre die mögliche Verwehrung der Einreise oder die Abschiebung. Migrant*innen würden noch häufiger als Opfer wahrgenommen werden, obwohl sie ohnehin schon als marginalisierte Gruppe an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden.

Sexarbeit ist gesellschaftliche und soziale Realität in Deutschland. Sexarbeit ist Arbeit. Eine Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen von Sexarbeiter*innen kann nicht durch Kriminalisierung, sondern durch die Stärkung ihrer Rechte und durch den Kampf gegen Stigmatisierung gelingen.

Das Bündnis der Fachberatungsstellen für Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter fordert Sie deswegen auf:

Sexarbeit als Arbeit anzuerkennen

Deutschlandweit angelegte Anti-Stigmatisierungskampagnen zu fördern

Den Ausbau von Fachberatungsstellen für Sexarbeiterinnen zu gewährleisten, die niedrigschwellig, ergebnisoffen und akzeptierend mit Sexarbeiter*innen arbeiten

Den Zugang für Sexarbeiter*innen zu Fachberatung, Gesundheitsberatung und gesundheitlicher Versorgung flächendeckend zu ermöglichen.


Wenn Sie Interesse haben mit uns ins Gespräch zu kommen, wenden Sie sich gerne an info@bufas.net zur Terminabsprache.


Freundliche Grüße
der Bufas Vorstand


1 Stellungsnahme des Deutschen Instituts für Menschenrechte „Prostitution und Sexkaufverbot“ vom 17.10.2019

2 https://www.amnesty.org.uk/policy-protect-human-rights-sex-workers-qa#Q7 (18.06.2020)

3 Susanne Dodillet, „Das schwedische Sexkaufverbot – beanspruchte Erfolge und dokumentierte Effekte“, Universität Göteborg.