Sexarbeit in Zeiten von Corona und die Auswirkung für Sexarbeiter*innen in Deutschland - bufas e.V.
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Sexarbeit in Zeiten von Corona und die Auswirkung für Sexarbeiter*innen in Deutschland

Sexarbeit in Zeiten von Corona und die Auswirkung für Sexarbeiter*innen in Deutschland

Im März diesen Jahres traf die weltweite Ausbreitung des Coronavirus auch Deutschland. Im Zuge der Eindämmung des Virus wurden bundesweit diverse Maßnahmen ergriffen, die die Bewegungsfreiheit vieler Menschen eingeschränkt haben. Im Zuge dessen wurden bundesweit diverse Dienstleistungsbetriebe geschlossen. So auch sämtliche Betriebsstätten für Sexarbeiter*innen. In einigen Bundesländern ist Sexarbeit komplett verboten. Seit dem 18. Mai eröffnen unter Auflagen sukzessive alle körpernahen Dienstleistungen wie Friseure, Massagen, Fußpflege etc. Nur für Sexarbeit gelten derzeit keinerlei Lockerungen. In den Plänen der einzelnen Bundesländer sind keine Perspektiven für die gesamte Sexarbeit sichtbar.

Prekäre Arbeits-und Lebensbedingungen von Sexarbeiter*innen

Dies hat für viele Betroffene schwerwiegende finanzielle und damit existenzgefährdende Folgen. Momentan hat sich die Zahl der hilfesuchenden Sexarbeiter*innen in Beratungs-stellen für Sexarbeiter*innen drastisch erhöht. 32 Fachberatungsstellen für Sexar-beiter*innen bundesweit sind im BufaS e.V. organisiert. Sie alle beraten, begleiten und unterstützen auch vor Corona Sexarbeiter*innen, die von Diskriminierung, Stigmatisierung, erschwerten Arbeitsbedingungen und hochschwelligem Zugang zu öffentlichen Leistungssystemen betroffen sind. Die Lebens- und Arbeitssituation dieser Sexarbeiter*innen gestaltet sich häufig so, dass sie nicht die Möglichkeit haben, sich ein finanzielles Polster aufzubauen.

Mit Einführung des temporären Sexarbeitsverbots sahen sich viele Sexarbeiter*innen gezwungen, in ihre Heimats- und Herkunftsländer zu reisen. Diejenigen die nicht die Möglichkeit hatten, werden seit einigen Wochen mit erschwerten Lebensbedingungen konfrontiert. Ausbleibende Einnahmen, erschwerter Zugang zu öffentlichen Hilfesystemen und drohende Wohnungslosigkeit führen zwangsweise zu erschwerten und gesundheitsgefährdenden Bedingungen in der Sexarbeit. Um das Überleben zu sichern, wird illegal gearbeitet. Das Nichteinhalten des Arbeitsverbotes zieht wiederum Bußgeldstrafen nach sich, die die Sexworker in langfristige finanzielle Schwierigkeiten bringt. Sexarbeiter*innen ohne festen Wohnsitz begeben sich neben finanziellen, auch in soziale Abhängigkeiten. Letztlich ist eine Prekarisierung der Lebensbedingungen vieler Sexarbeiter*innen zu beobachten.

Klares ‚Nein‘ für ein Sexkaufverbot!

Derzeit wird langfristig ein generelles Sexkaufverbot nach Vorbild des sogenannten „Schwedischen Modells“ gefordert. Wir beobachten, dass gerade jetzt im vorübergehendem Verbot von Sexarbeit, die Arbeits- und Lebenssituationen der Sexarbeiter*innen eine hochprekäre und stigmatisierende Realität abbilden. Gewalt und Ausbeutung sind nach StGB ohnehin strafbar.

Ein Sexkaufverbot lehnen wir ab, weil die Folge eines Verbotes die Verdrängung der Sexarbeit in das Dunkelfeld ist. Sexarbeiter*innen werden kriminalisiert, diskriminiert und stigmatisiert.

Anlässlich des Welthurentages am 2. Juni spricht sich der BufaS wiederholt für eine Verbes-serung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Sexarbeiter*innen aus und fordert eine Perspektive für Sexarbeit auf Bundesebene!

RotlichtAN!

Wir schließen uns der Kampagne des BesD (Bundesverband für sexuelle und erotische Dienstleistungen e.V.) https://berufsverband-sexarbeit.de/index.php/community/rotlichtan an und sagen: „RotlichtAN!“ Bundesweit können Fachberatungsstellen nicht nachvollziehen, warum Sexarbeit (gesetzliche Def: sexuelle Dienstleistung gegen Entgelt) nicht mit anderen körpernahen Dienstleistungen gleichgestellt und -behandelt wird. Zumal dieser Erwerbstätigenzweig mit Hygienevorschriften und -regeln schon immer außerordentlich gut vertraut war.

Wir fordern:

  • Menschen, die sexuelle Dienstleistungen anbieten, sollen selbstständige Strukturen ermöglicht werden, um weniger von Ausgrenzung (Zugang zu Leistungen/Hilfen), Stigmatisierung, Zwangslagen (trotz Verbot weiterarbeiten; nicht selbstbestimmtes Arbeiten) und Notlagen (finanziell) bedroht oder betroffen zu sein!
  • Sexarbeiter*innen sind meist (Solo-)Selbstständige. Wir wollen die grundsätzliche Sichtbarmachung der negativen Folgen für Soloselbstständige, die keine Corona-Soforthilfe beantragen können und die wirkliche Gleichstellung mit anderen beruflichen Tätigkeiten!
  • Mehr niederschwellige unabhängige Beratungsstellen für Sexarbeiter*innen bzw. mehr Personalressourcen für die Arbeit vor Ort!
  • Bundesweite finanzielle Unterstützung von Sexarbeiter*innen unabhängig von einer behördlichen Anmeldung als Prostituierte*r, Herkunft und Sexarbeitssektor!
  • Sexarbeit ist Carearbeit. Anerkennung von Sozialarbeit und Care-Arbeit als systemrelevante Unterstützungsstruktur!
  • Sicherstellung von Lebens- und gesundheitlicher Versorgung für Sexarbeiter*innen ohne bestehende Krankenversicherung und Erhalt von Leistungsbezügen!
  • Entstigmatisierung und Enttabuisierung von Sexarbeit. Sexarbeit ist Arbeit. Respekt!
  • Anerkennung von Sexarbeit als soziale Realität!

Berlin, 28.05.2020

Der Bufas-Vorstand