Stellungnahme zu den politischen Forderungen zur Einführung des Sexkaufverbots in Deutschland - bufas e.V.
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Stellungnahme zu den politischen Forderungen zur Einführung des Sexkaufverbots in Deutschland

Stellungnahme zu den politischen Forderungen zur Einführung des Sexkaufverbots in Deutschland

Nur gut zwei Jahre nach der Einführung des ProstSchG am 01.07.2017 werden zunehmend politische Stimmen laut, die das ProstSchG für gescheitert erklären und die Einführung eines Sexkaufverbots (auch schwedisches/nordisches Modell) in Deutschland fordern. Kern des Sexkaufverbotes ist, dass die Kund*innen für den Sexkauf strafrechtlich verfolgt werden, während Sexarbeiter*innen straffrei bleiben.

Problematisch in der aktuellen politischen und auch medialen Diskussion ist aus Sicht des Bufas, dass die Effekte des Sexkaufverbots nur verkürzt und oftmals auch falsch dargestellt werden: So kommt es in der aktuellen Diskussion regelmäßig zu einer Vermischung der Begriffe Sexarbeit und Zwangsprostitution. Sexarbeit ist eine selbstbestimmte Dienstleistung zwischen Erwachsenen gegen Entgelt, während Menschenhandel/Zwangsprostitution Menschrechtsverletzungen sind, die in Deutschland hart bestraft werden. Auch Kund*innen, die die Zwangslage von Sexarbeitenden ausnutzen, werden in Deutschland seit 2016 bestraft.

Zum Anderen wird häufig dargestellt, dass das Sexkaufverbot keine negativen Konsequenzen für Sexarbeiter*innen habe, oder deren Situation sogar noch verbessere. Dagegen positioniert sich der Bufas entschieden. Auch innerhalb Deutschlands hat man durch restriktive Verordnungen wie z.B. Sperrbezirksverordnungen oder die Kontakt-verbotsverordnung nicht die Prostitution und die Nachfrage vor Ort verhindert, sondern lediglich bewirkt, dass die Arbeitsbedingungen sich verschlechtern und die Vulne-rabilität durch Abhängigkeitsverhältnisse und Ausbeutung erhöht werden.

Wie das Deutsche Institut für Menschenrechte (1) und amnesty international (2) lehnen wir die Einführung eines Sexkaufverbotes ab. Denn es wird gerade die Situation der Menschen verschlechtern, die innerhalb der Sexarbeit am verletzlichsten sind:

  • Die Kriminalisierung von Kund*innen hat immer auch verheerende Folgen für die Sexarbeiter*innen selbst: Weder das Angebot, noch die Nachfrage nach Sexarbeit sinken durch ein Sexkaufverbot (3). Um ihre Kund*innen zu schützen, können Sexarbeiter*innen keine offenen, legalen Verhandlungen mehr führen, sondern müssen verdeckte Anbahnungswege finden. Dies verschiebt die Machtverhältnisse zwischen Sexarbeiter*innen und Kund*innen zum Nachteil der Sexarbeiter*innen. Insbesondere prekär arbeitende und lebende Menschen sind gezwungen, Schutz und Anbindung in den Strukturen zu suchen, die selbstbestimmte Arbeit verhindern und Abhängigkeitsverhältnisse fördern. Durch die Arbeit im Verborgenen steigt die Gefahr, von Ausbeutung und Gewalt betroffen zu werden. Gleichzeitig sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass tatsächlich erlebte Gewalt angezeigt wird.
  • Das Sexkaufverbot verschärft gesellschaftliche Stigmatisierung, anstatt sie abzubauen. Stigmatisierung, Diskriminierung und gesellschaftliche Marginalisierung von Sexarbeiter*innen sind maßgeblich dafür verantwortlich, dass Sexarbei-ter*innen vorhandene Rechte nicht wahrnehmen, verdeckt arbeiten und verletzlich sind.
  • Unterstützungsstrukturen im Allgemeinen und insbesondere auch unter den Sexarbeiter*innen selbst, stellen wichtige Wirkfaktoren für sicheres Arbeiten dar. Mit dem Sexkaufverbot einhergehende gesetzliche Regelungen verschärfen die gesellschaftliche Stigmatisierung von Sexarbeiterinnen noch und verhindern gegenseitige Unterstützung. So ist es in Schweden verboten, von den Einnahmen von Sexarbeiter*innen zu profitieren. Dies betrifft z.B. Vermieter*innen, Babysitter*innen und auch Sexarbeiter*innen selbst, die sich gegenseitig unter-stützen.
  • Die mit dem Sexkaufverbot einhergehenden Regelungen verschärfen das Leben und Arbeiten von Arbeitsmigrant*innen in der Sexarbeit mit und ohne legalen Aufenthaltsstatus noch einmal deutlich. Die Folge eines Verbots wäre die mögliche Verwehrung der Einreise oder die Abschiebung. Migrant*innen würden noch häufiger als Opfer wahrgenommen werden, obwohl sie ohnehin schon als marginalisierte Gruppe an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden.

Sexarbeit ist gesellschaftliche und soziale Realität in Deutschland. Sexarbeit ist Arbeit. Eine Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen von Sexarbeiter*innen kann nicht durch Kriminalisierung, sondern durch die Stärkung ihrer Rechte und durch den Kampf gegen Stigmatisierung gelingen.

Das Bündnis der Fachberatungsstellen für Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter fordert die deutsche Politik deswegen auf:

  • Sexarbeit als Arbeit anzuerkennen
  • Deutschlandweit angelegte Anti-Stigmatisierungskampagnen zu fördern
  • Den Ausbau von Fachberatungsstellen für Sexarbeiterinnen zu gewähr-leisten, die niedrigschwellig, ergebnisoffen und akzeptierend mit Sex-arbeiter*innen arbeiten
  • Den Zugang für Sexarbeiter*innen zu Fachberatung, Gesundheitsberatung und gesundheitlicher Versorgung flächendeckend zu ermöglichen.

Vielen Dank und freundliche Grüße
der Bufas Vorstand

Berlin, 25.11.2019

Diese Stellungnahme als PDF downloaden

1 Stellungsnahme des Deutschen Instituts für Menschenrechte „Prostitution und Sexkaufverbot“ vom 17.10.2019
2 https://www.amnesty.org.uk/policy-protect-human-rights-sex-workers-qa#Q7 (22.11.2019)
3 Susanne Dodillet, „Das schwedische Sexkaufverbot – beanspruchte Erfolge und dokumentierte Effekte“, Universität Göteborg.