Stellungnahme zum Positionspapier der CDU/CSU vom 7.11.2023 zum Sexkaufverbot - bufas e.V.
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Stellungnahme zum Positionspapier der CDU/CSU vom 7.11.2023 zum Sexkaufverbot

Stellungnahme zum Positionspapier der CDU/CSU vom 7.11.2023 zum Sexkaufverbot

Noch während die Evaluation des ProstituiertenSchutzGesetz (Vorlage der Ergebnisse: 2025) durchgeführt wird, veröffentlicht die CDU/CSU ein Positionspapier zur Einführung eines Sexkaufverbots in Deutschland. Kern des Sexkaufverbotes ist, dass die Kund*innen für den Sexkauf strafrechtlich verfolgt werden, während Sexarbeitende straffrei bleiben sollen. Der bufaS e.V. warnt ausdrücklich davor…

sich diesen Debatten mit Schätzungen und vermeintlichen Fakten, die die prekäre Lage aller Menschen in der Prostitution darstellen soll, anzuschließen.

Denn die verkürzte Debatte zur Einführung eines Sexkaufverbotes wird den diversen Arbeits- und Lebensrealitäten von Menschen in der Sexarbeit in keiner Weise gerecht. Ganz im Gegenteil: Ein Sexkaufverbot entzieht der Mehrheit der Sexarbeitenden die Lebensgrundlage, führt zur Kriminalisierung und zur Diskriminierung der Sexarbeitenden. Langfristig kommt es einem Arbeitsverbot gleich.

Im bundesweiten Bündnis der Fachberatungsstellen für Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter (bufaS e.V.) sind 31 Mitgliedsorganisationen mit über 40 Beratungseinrichtungen für Sexarbeitende im ganzen Bundesgebiet organisiert. Die Beratungsstellen beraten akzeptierend, kostenfrei und anonym tausende Menschen in der Sexarbeit. Die überwiegend bedarfsorientierte Beratungs- und Begleitungsarbeit unterstützungssuchender Sexarbeitenden zeigt uns, was die Zielgruppe braucht. Darunter fällt sicher nicht, dass ihre Kunden zukünftig bestraft werden.“ sagt Vorstandsvorsitzende Sandra Kamitz

Im Positionspapier der CDU/CSU wird dargestellt, dass das Sexkaufverbot keine negativen Konsequenzen für Sexarbeitenden haben wird, oder deren Situation sogar noch verbessere. Dagegen positioniert sich der bufaS entschieden!

Denn im Gegensatz zum geforderten Sexkaufverbot, in dem Sexarbeit nicht als Arbeit sondern als Gewalt definiert wird und die Verantwortung für das Problem der Ausbeutung den einzelnen Käufer*innen zugeschrieben wird, sehen wir, dass bereits jetzt Sperrbezirks- oder Kontaktverbotsverordnungen nicht die Sexarbeit unterbinden, sondern die Arbeitsbedingungen vor Ort verschlechtern. Dies führt wiederum zu Stigmatisierungen, die ausbeuterische Bedingungen begünstigen und das Risiko von Gewalt erhöhen.

Wie das Deutsche Institut für Menschenrechte (1) und amnesty international (2) lehnen wir die Einführung eines Sexkaufverbotes ab. Denn es wird die Situation der Menschen verschlechtern, die innerhalb der Sexarbeit am verletzlichsten sind:

  • Die Kriminalisierung von Kund*innen hat immer auch verheerende Folgen für die Sexarbeitenden selbst: Weder das Angebot, noch die Nachfrage nach Sexarbeit sinken durch ein Sexkaufverbot (3). Um ihre Kund*innen zu schützen, können Sexarbeitende keine offenen, legalen Verhandlungen mehr führen, sondern müssen verdeckte Anbahnungswege finden. Dies verschiebt die Machtverhältnisse zwischen Sexarbeitenden und Kund*innen zum Nachteil der Sexarbeitenden. Insbesondere prekär arbeitende und lebende Menschen sind gezwungen, Schutz und Anbindung in den Strukturen zu suchen, die selbstbestimmte Arbeit verhindern und Abhängigkeitsverhältnisse fördern. Durch die Arbeit im Verborgenen steigt die Gefahr, von Ausbeutung und Gewalt betroffen zu werden. Gleichzeitig sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass tatsächlich erlebte Gewalt angezeigt wird.

  • Das Sexkaufverbot verschärft gesellschaftliche Stigmatisierung, anstatt sie abzubauen. Stigmatisierung, Diskriminierung und gesellschaftliche Marginalisierung von Sexarbeitenden sind maßgeblich dafür verantwortlich, dass Sexarbeitende vorhandene Rechte nicht wahrnehmen, verdeckt arbeiten und verletzlich sind.

  • Unterstützungsstrukturen im Allgemeinen und insbesondere auch unter den Sexarbeitenden selbst, stellen wichtige Wirkfaktoren für sicheres Arbeiten dar. Mit dem Sexkaufverbot einhergehende gesetzliche Regelungen verschärfen die gesellschaftliche Stigmatisierung von Sexarbeitenden noch und verhindern gegenseitige Unterstützung. So ist es in Schweden verboten, von den Einnahmen von Sexarbeitenden zu profitieren. Dies betrifft z.B. Vermieter*innen, Babysitter*innen und auch Sexarbeitende selbst, die sich gegenseitig unterstützen.

  • Der Schutz der Sexarbeitenden durch gewerberechtliche Sicherheitsstandards in den Prostitutionsstätten – wie Notfallallknöpfe, Wachschutz, Alterskontrolle – entfällt. Das Verbot von Prostitutionsstätten bietet Strukturen für einen unkontrollierbaren und ausbeuterischen neuen Markt von Zimmervermittlung über Kundenaquise bis hin zu Zuhälterei.

  • Die mit dem Sexkaufverbot einhergehenden Regelungen verschärfen das Leben und Arbeiten von Arbeitsmigrant*innen in der Sexarbeit mit und ohne legalen Aufenthaltsstatus noch einmal deutlich. Die Folge eines Verbots wäre die mögliche Verwehrung der Einreise oder die Abschiebung. Migrant*innen würden noch häufiger als Opfer wahrgenommen werden, obwohl sie ohnehin schon als marginalisierte Gruppe an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden.

  • Sexarbeitende verlieren im Sexkaufverbot ihre Existenzgrundlage, werden diskriminiert und stigmatisiert. Die Menschen- und Grundrechte werden unterwandert, um staatliche Kontrolle zu legitimieren. Errungenschaften wie sexuelle und reproduktive Rechte sind in der Folge für alle in Gefahr.

Sexarbeit ist gesellschaftliche und soziale Realität in Deutschland. Sexarbeit ist Arbeit. Eine Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen von Sexarbeitenden kann nicht durch Kriminalisierung, sondern durch die Stärkung ihrer Rechte und durch den Kampf gegen Stigmatisierung gelingen.

Das Bündnis der Fachberatungsstellen für Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter fordert die deutsche Politik deswegen auf:

  • Sexarbeit als Arbeit anzuerkennen

  • Deutschlandweit angelegte Anti-Stigmatisierungskampagnen zu fördern & Aufnahme der stigmatisierten Gruppe der Sexarbeitenden ins AGG

  • Den Ausbau von Fachberatungsstellen für Sexarbeiterinnen zu gewährleisten, die niedrigschwellig, ergebnisoffen und akzeptierend mit Sexarbeitenden arbeiten und ausreichend finanzielle und rechtliche Mittel zur Verfügung zu stellen um berufliche Orientierungsmöglichkeiten zu schaffen, die an die Arbeits- und Lebensbedingungen von Sexarbeitenden angepasst sind.

  • Den Zugang für Sexarbeiter*innen zu Fachberatung, Gesundheitsberatung und gesundheitlicher Versorgung flächendeckend zu ermöglichen.

 

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1 Stellungsnahme des Deutschen Instituts für Menschenrechte „Prostitution und Sexkaufverbot“ vom 17.10.2019

2 https://www.amnesty.org.uk/policy-protect-human-rights-sex-workers-qa#Q7 (09.11.2023)

3 Susanne Dodillet, „Das schwedische Sexkaufverbot – beanspruchte Erfolge und dokumentierte Effekte“, Universität Göteborg.

 

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